Small Wonders

21. März 2017 - 11:03 Exhibition

Sie gehören zu den feinsten, rätselhaftesten und unbekanntesten niederländischen Kunstwerken: die virtuos geschnitzten Figuren, Miniaturaltare, kleinen Särge, Schädelchen und Gebetsnüsse aus Buchsbaumholz aus dem 16. Jahrhundert. Häufig sind sie nur einige Dutzend Millimeter groß und für den persönlichen Gebrauch gedacht. Etwa 125 Exemplare haben sich erhalten. Vom 17. Juni bis 17. September sind in der Ausstellung 'Small Wonders' im Philipsflügel des Rijksmuseums nicht weniger als 60 dieser kleinen Wunderwerke aus der ganzen Welt zu bewundern.

Mittelalterliche Schnitzkunst auf Millimeterformat

Es ist das erste Mal, dass eine solche Vielzahl niederländischer Mikroschnitzereien aus dem ausgehenden Mittelalter zusammen zu sehen ist. Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist die Gebetsnuss mit der Kreuzigung sowie Christus vor Pilatus aus dem Metropolitan Museum of Art in New York. Diese Nuss zeigt in voller Pracht das fachmännische Können ihres Schöpfers Adam Dircksz.

Faszination

Schon seit Jahrhunderten lassen sich die Menschen von den niederländischen Mikroschnitzereien aus dem späten Mittelalter faszinieren. Wie war es möglich, in einem solch unvorstellbar kleinem Maßstab die überschwänglichsten und detailgetreuesten biblischen Szenen anzufertigen? Ein Team aus Kunsthistorikern und Restauratoren des Rijksmuseums, der Art Gallery of Ontario und dem Metropolitan Museum of Art hat in den vergangenen Jahren dazu intensive Forschungen durchgeführt. Bei den beiden zuletzt genannten Museen lag der Schwerpunkt auf der technischen Untersuchung der Art und Weise, in der die Miniaturschnitzereien hergestellt wurden.

Das Rijksmuseum war insbesondere mit kunsthistorischen Forschungen zu den Urhebern, den Käufern und der Verwendung der außergewöhnlichen kleinen Kunstwerke beschäftigt. Daraus ging unter anderem hervor, dass der größte Teil der Miniaturwerke in technischer und stilistischer Hinsicht eine dermaßen große Übereinstimmung aufweist, dass diese aus ein und demselben Atelier stammen müssen. Dieses Atelier wurde von Adam Theodrici („Adam Dircksz“) geleitet, dessen Signatur auf einer der Gebetsnuss zu lesen ist.

Delft

Eine mindestens ebenso große Überraschung ist die Feststellung – auf der Grundlage der Identifizierung und Lokalisierung einer Reihe von Auftraggebern und frühen Besitzern von Mikroschnitzereien –, dass sich dessen Atelier nicht etwa in den südlichen Niederlanden befand, wie lange angenommen wurde, sondern im Norden, möglicherweise in Delft anzusiedeln ist. Diese Entdeckung stellt eine Differenzierung der häufig noch herrschenden Vorstellung dar, dass die Blüte der Künste im späten Mittelalter insbesondere in den südlichen Provinzen der Niederlande stattgefunden hat.

Meditation

Die jüngsten Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass diese Miniatur-Devotionalien aus Buchsbaumholz nicht ausschließlich einem religiösen Zweck (nämlich der Unterstützung des Gebetes und der Gottesverehrung) dienten, sondern ganz gewiss auch einen gewissen Spiel- und Vergnügungsaspekt in sich vereinten. Aufgrund ihrer Komplexität laden sie den Benutzer ein, auf spielerische, visuelle Weise nach verblüffenden Methoden zu suchen, sie zu öffnen und so die darin verborgenen Darstellungen zu entdecken. Dieser spielerische Aspekt fördert eine stärker konzentrierte Nutzung sowie eine Vertiefung der Meditation.

Zur Ausstellung erscheint ein reichhaltig illustriertes Buch vom Verlag NAI010 unter der Redaktion des Konservators des Rijksmuseums, Frits Scholten. Der niederländische Designer Aldo Bakker (1971) ist verantwortlich für das Ausstellungsdesign im Rijksmuseum.

Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit der Art Gallery of Ontario (Toronto, Kanada), dem Metropolitan Museum of Art (New York, USA) und dem Rijksmuseum zu Stande gekommen. Neben den Objekten aus diesen Museen werden unter anderem auch Leihgaben aus dem Louvre, dem Victoria & Albert Museum und der Schatzkammer der Residenz München gezeigt. Die Kunstwerke wurden bereits in der Art Gallery of Ontario (Toronto, Kanada) und im The Metropolitan Museum of Art (New York, USA) gezeigt.

Die Ausstellung Small Wonders ermöglichen unter anderen die Pot Family Foundation/Rijksmuseum Fonds und die Holland America Line.

Downloads

Prayer nut with The Nativity and The Adoration of the Magi, Adam Dircksz. and workshop, c. 1510 - c. 1525
Prayer nut with Crucifixion and Christ before Pilate, Adam Dircksz. and workshop, ca. 1500-1530, The Metropolitan Museum of Art
Paternoster bead made for King Henry VIII of England and his wife Catherine of Aragon, Adam Dircksz. and workshop, 1509-1526, The Trustees of the Chatsworth Settlement
Miniature altar Virgin of the Rosary with Saints Barbara and Catherine, Adam Dircksz. and workshop, c. 1500 - c. 1520
Photo Rijksmuseum
Photo Rijksmuseum
Photo Rijksmuseum
Photo Rijksmuseum
Photo Rijksmuseum
Photo Rijksmuseum
Photo Rijksmuseum
Photo Rijksmuseum

all images